ERF Plus - Bibel heute Die Frage nach dem Fasten
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Die jüdische fromme Gelehrtenwelt hatte schon im gestrigen Text der Tageslese Anstoß an den Essgewohnheiten von Jesus und seinen Jüngern genommen. Dort war es die Frage, mit wem sich Jesus beim Essen abgab. Er hatte Tischgemeinschaft mit gesellschaftlich am Rande stehenden Personen und offensichtlichen Sündern. Nimmt er deren Sünde nicht ernst? So lautete die dahinterstehende Frage.
Die Fastenpraxis zur Zeit Jesu
In unserem heutigen Bibeltext setzen sie nochmals an, indem sie nach der Fastenpraxis fragen. Das will ich ein wenig erklären: Neben der allgemein vorgeschriebenen Fastenpraxis, die sich auf einzelne wenige Tag im Jahr bezog, gab es ein freiwilliges Fasten. Lukas (Kapitel 18, Vers 12) berichtet davon, dass dies unter frommen Juden zweimal pro Woche gehandhabt wurde. Aus jüdischen Quellen weiß man, dass dies meist montags u. donnerstags praktiziert wurde.
Der Bibeltext berichtet davon, dass diese Praxis sowohl bei den Pharisäern, als auch bei den Jüngern von Johannes dem Täufer so gehandhabt wurde. Was also ist der gemeinsame Gedanke?
Es ist die empfundene Not, die die Sünde mit sich bringt. Die immer wieder neue Sünde des Volkes erneuerte und vertiefte den Riss zwischen Gott und seinem Volk Israel. Dem Fasten wurde in der damaligen jüdischen Tradition eine Sühnekraft zugestanden, die sich diesem Riss entgegenstellt. Zielsetzung war es, den Zorn Gottes zu wenden und das Volk vor nationalen Unglücksschlägen zu bewahren. In diese Richtung sind auch die im Bibeltext erwähnten Gebete zu verstehen. Es sind Fürbittengebete. Damit zunächst einmal ein wirklich lauteres Motiv. Hier leiden Menschen unter der Not der Sünde und meinen auf ihre Art etwas dagegen tun zu können. Dieser Hintergrund unterscheidet sich von manchen Fastenmotiven in heutiger Zeit, in denen es um eigene empfundene Gottesnähe geht.
„Hoch-Zeit“
Mir ist aufgefallen, Jesus tadelt nicht das Fastenverhalten der Gruppen, die an ihn herantreten. Er tadelt damit auch nicht ihre Motivation. Er bezieht lediglich diese Motivation zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf sich und seine Jünger. Jetzt, sagt Jesus, ist „Hoch-Zeit“. Wie das ausgiebige Fest der Hochzeit. Damals war dies eine mehrtätige ausgelassene Feier mit vielen Belustigungen. Selbst Rabbiner unterbrachen mit ihren Schülern das Torastudium, um den Brautzug zu begleiten. Jesus sagt damit, die berechtigte Fokussierung liegt jetzt, wo ich – der Sohn Gottes – mitten unter euch bin, auf etwas Anderem. Es gilt sich auf die Begegnung und das Leben mit mir zu konzentrieren.
Was ich von Jesus hier lernen will? Hinter manchen Verhaltensweisen von Menschen stehen gute und lautere Motive. Ich sollte vorsichtig sein, sie pauschal zu verwerfen. Was aber nicht heißt, ich müsste sie gleichfalls praktizieren. Immer wo ein frommes Anspruchsdenken Macht auf mich ausüben möchte, gilt es vorsichtig zu sein.
Eine neue Zeit
Diese Gedankenlinie führen die beiden sich anschließenden Bildworte fort. Mehr noch, sie spitzen sie sogar zu. Altes Kleid und alter Wein stehen dem neuen Kleid und dem neuen Wein gegenüber. Beides steht jeweils für die alte Denke der Pharisäer und die neue Denkweise Jesu. Jesus gibt zu verstehen, dass er nicht die Denkweise der Pharisäer fortführt. Sein Neues kann man nicht lediglich als Flicken für die bisherige Denkweise benutzen. In dem Fall würde man sein Anliegen – im Bild: das neue Kleid – zerstören. Obendrein würde man feststellen, dass alt und neu nicht zusammenpassen. Somit hätte man nur Zerstörung angerichtet.
Geistliche Verhaltensweisen und Denkeinstellungen kann man nicht von anderen erzwingen, ohne sie letztendlich aus dem Segen herauszuführen, den sie vielleicht einmal beinhaltet hatten. Das verordnete Schubladendenken, wie man sich zu verhalten habe, um Gott wirklich ernst zu nehmen, zerstört mehr als es nützt. Geistliches Denken muss aus eigener geistlicher Überzeugung erwachsen.
Jesus kommt es nicht auf das unpersönliche „man“ an, in dessen Haltung etwas getan wird. Er fragt nach der eigenen geistlichen Motivation, aus der heraus Handeln verfolgt. Er fragt nach unserer geistlichen Mündigkeit.
Eigenverantwortlich Handeln und Denken
Es ist schwieriger, ein eigenes verantwortliches Denken und Handeln vor Gott einzuüben. Doch dazu lädt uns Jesus als seine Nachfolger ein. Mehr noch, es ist unsere Aufgabe als Christ, hier sehr verantwortungsvoll mit uns und mit anderen umzugehen. Unser Gegenüber sind nicht die fordernden anderen Menschen. Unser Gegenüber ist das Wort Gottes und der sich darin offenbarende Heilige Geist. Jesus sagt von ihm im Johannesevangelium, Kapitel 14, Vers 26: „Der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Laden wir ihn selbst ein, dass er dies in unserem eigenen Leben tut und bitten wir darum, dass er es in seiner Freiheit bei meinem Gegenüber auch tun möge.
Wo sich dies nicht in einer solchen Freiheit gestaltet, nimmt der Mensch Schaden. In unserem Bibeltext heißt es im zweiten Bildwort: „Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst zerreißt der neue Wein die Schläuche und wird verschüttet und die Schläuche verderben.“ Die Gefahr ist zu hoch, dass alles zerbricht.
Wie aber ist das Auskommen des „Alten“ mit dem „Neuen“? Jeder hat sein Eigenes sagt Jesus. „Neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen. Und niemand, der vom alten Wein trinkt, will neuen. Denn er spricht: Der alte ist milder.“
Ich empfinde es als sehr väterlich weisen Rat, den Jesus auch uns mitgibt. Neuer Wein ist dynamisch. Er muss noch seinen Gärungsprozess abschließen. Dazu benötigte er für damalige Verhältnisse elastische, neue Schläuche, die mit seiner Dynamik im Gärungsprozess mithalten konnten. So ist es häufig auch bei jungen Ideen. Sie benötigen andere elastische Räume, um sich gut entfalten zu können. Wie segensreich kann es sich auswirken, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Ein in Verantwortung vor Gott gelebter Glaube wird sprach- und handlungsfähig. Welch eine Bereicherung für die nächste Generation.
Die nüchterne Feststellung scheint aber auch angebracht: Nicht jede Neuerung passt zu dem Bisherigen. Manchmal hat sie auch nicht die Qualität des Bisherigen. Sie braucht noch die Zeit der Reife und Erfahrung. Geben wir sie ihr doch. Vielleicht lernen wir sie auch schätzen. Wenn nicht, bleibe ich bei dem, was ich habe, und genieße die Vorzüge nun bewusster.
In vielen gemeindlichen Diskussionen zwischen den Generationen würde Jesu väterlicher weiser Rat Räume des Miteinanders öffnen. Räume des Segens. Räume des authentisch gelebten Glaubens.
Denn Eins gilt es festzuhalten: Jesus Christus ist unser gemeinsamer Herr. Er verbindet uns.
Autor: Pastor Dr. Lothar Beaupain
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