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„Idealerweise wird es Standard“
Manage episode 288848368 series 2824702
Herr Kleber, ich bin blind und kann Sie nicht sehen. Mögen Sie sich mit ein paar Worten beschreiben?
Wie würde ich mich beschreiben? Ich bin 54 Jahre und habe jetzt etwas zu lange Haare. Ich trage einen grauen Anzug, ein blaues Hemd und meine geliebten Sneaker. Ich würde mich noch als in Form bezeichnen – ein klassischer Familienvater sozusagen, mit den Sorgen- und Freudenfalten, die man dadurch hat.
Und Sie sind Unternehmenschef von Amazon Deutschland und in dieser Funktion Partner für den DBSV bei der Erarbeitung des Hörfilm-Skills. Das ist offenbar der erste Skill seiner Art für die Zielgruppe blinder und sehbehinderter Menschen?
Ja, tatsächlich. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit und hoffe, dass das der Startschuss für eine Partnerschaft ist und wir irgendwann zurückschauen und sagen: Weißt du noch, damals der erste Skill, den wir gemacht haben – der Hörfilm-Skill? Das ist ein toller erster Schritt, der davon profitiert, dass drei Partner zusammenkommen: zum einen der DBSV, der uns der Kundengruppe der sehbehinderten und blinden Mitmenschen näherbringt, dann ARD, ZDF und Arte, die die entsprechenden Inhalte haben, die wir kostenfrei über den Skill zur Verfügung stellen können. Und natürlich Amazon mit dem Bestreben, das Leben aller unserer Kunden leichter zu machen.
Wie funktioniert das im Amazon-Konzern: Werden solche Dinge, die jetzt in Deutschland entwickelt werden, auch in andere Länder transportiert?
Das hoffen wir. Die deutsche Sprache für Alexa wird zum Beispiel maßgeblich in Aachen entwickelt. Wir sitzen also am Entwickler- und Forschungshebel. Unsere europäischen Kollegen werden schnell über die Ländergrenze herüberschauen und sich hoffentlich inspirieren lassen. Und dann machen wir ein großes globales Produkt daraus. Inhalte sind ja auch global, und wir würden uns sicher alle wünschen, dass auch die amerikanischen Serien zukünftig in einer Form kommen, die man im Hörfilm-Skill zur Verfügung stellen kann.
Bei Amazon Prime gibt es jetzt die ersten Audiodeskriptionsangebote. Soll dieses Angebot ausgebaut und möglicherweise in den Hörfilm-Skill integriert werden?
Idealerweise wird es Standard. Sie haben mir ja mal erklärt, dass die Kosten für eine audiodeskriptive Version sehr gering sind, wenn man die Gesamtentwicklungskosten für einen Film betrachtet.
Wir sind in Europa dabei, für den Online-Handel und für Medienplattformen Standards der Barrierefreiheit umzusetzen. Deutschland und die anderen EU-Länder werden die entsprechenden Regelungen bis Mitte 2022 umsetzen. Dann kommen noch Übergangsfristen. Könnte es für Amazon ein Weg sein zu sagen, wir warten nicht bis zum letzten Tag der Übergangsfristen, sondern streben eine Vorreiterfunktion an?
Eine Vorbildfunktion würde ich gern einnehmen. Wir haben ein Bewusstsein für Barrierefreiheit entwickelt und wollen in vielen Bereichen im Unternehmen dafür sorgen, dass unsere Dienstleistungen und Inhalte möglichst barrierefrei zugänglich werden. Im Shopping, also beim Online-Einkaufen, liegt noch eine schöne Wegstrecke vor uns. Wir wissen aus dem Feedback auch Ihrer Mitglieder, dass wir noch eine Menge tun müssen. Im Selbstversuch habe ich festgestellt, wie schwierig oder nahezu unmöglich es ist, bestimmte Produktgruppen online zu erwerben. Wir machen aber auch eigene Schritte. In unserem Logistikzentrum in Werne zum Beispiel integrieren wir Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, um festzustellen, wie man Arbeitsabläufe optimieren muss, damit sie barrierefrei wahrgenommen werden. Hier geht es nicht nur um Sprache, denn viele unserer Kunden haben unterschiedliche Beeinträchtigungen und müssen unterschiedliche Barrieren überwinden, um unsere Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Es muss Ziel unseres Unternehmens sein, diese Barrieren abzubauen. Wir wollen relevant sein für alle Kunden. Ein Weg, Kunden und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu verstehen, ist, die Vielfalt unserer Kunden in der Vielfalt unserer Mitarbeiter zu spiegeln.
Kann eine Organisation wie der DBSV ein Unternehmen wie Amazon auf dem Weg zur Barrierefreiheit unterstützen?
Ohne eine Organisation wie den DBSV stünden wir viel weiter hinten, was das Erkennen der Problematik betrifft. Und wenn ich die Problematik nicht erkenne, kann ich keine Lösung schaffen. Der DBSV ist für uns ein Expertengremium. Wir haben von vielen blinden und sehbehinderten Kunden erfahren, dass bestimmte Dinge nicht funktionieren und bestimmte Vorgänge zu lange dauern. Das müssen wir besser priorisieren und dann besser in der Lage sein, Standards zu entwerfen. Denn es geht nicht um Einzellösungen, sondern die Hoffnung ist, dass es uns gelingt, Wege aufzuzeigen, aus denen Standardlösungen entstehen.
Das hört sich so an, als seien Kooperationen zwischen Unternehmen und Organisationen aus dem Bereich behinderter Menschen eine gute Sache. Auch die DBSV-Amazon-Kooperation könnte also weitergeführt werden. Wie schätzen Sie das ein?
Ich hoffe sehr, dass das der Beginn einer längeren Kooperation ist. Ich hoffe, dass wir viele Dinge finden, die inspirierend wirken, auch für andere Unternehmen. Das ist ja kein Geheimprojekt. Die Aufgabe, Barrieren aus dem Leben zu schaffen, muss von vielen gestemmt werden, wenn nicht von uns allen. Das, was wir in die Waagschale werfen, ist Entwickler-Knowhow, Innovationspotenzial, Technik und die Möglichkeit, einen Standard, den wir vielleicht finden, global weiterzuentwickeln.
An welchen technologischen Entwicklungen, die die Nutzung digitaler Information erleichtern, arbeitet Amazon gerade?
Sie wollen das Geheimprojekt erfahren. Darüber darf ich natürlich nicht reden. Ich sage mal so: Wir sind davon überzeugt, dass Sprache zur Vereinfachung des Lebens beitragen kann, nicht nur in der Kommunikation zwischen Menschen, sondern auch bei der Erledigung zahlreicher Aufgaben. Das ist unsere Motivation. Warum umständliche Bedienungsanleitungen lesen, warum auf der Fernbedienung Knöpfe suchen, warum im Lift nach der Etage suchen, auf der Dr. Müller seine Zahnarztpraxis hat? Wir sehen Sprache als Vereinfachungsmöglichkeit für alle Kundengruppen – vom Kind bis zum Senior. Auch für mich, der ich abends nicht vom Sofa aufstehen möchte, um meine Rollläden oder mein Thermostat anders einzustellen. Sprache kann das Leben vereinfachen, wenn man sie auf natürliche Weise einsetzt. Wir wissen aber auch, dass Sprache etwas sehr Komplexes ist. Alexa in Deutschland hatte gerade ihren vierten Geburtstag, kommt also jetzt in den Kindergarten und hat noch einen weiten Weg vor sich, um das zu werden, was sich alle erhoffen: nämlich der einfachste Zugang zu bisher sehr komplexen Abläufen.
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Herr Kleber, ich bin blind und kann Sie nicht sehen. Mögen Sie sich mit ein paar Worten beschreiben?
Wie würde ich mich beschreiben? Ich bin 54 Jahre und habe jetzt etwas zu lange Haare. Ich trage einen grauen Anzug, ein blaues Hemd und meine geliebten Sneaker. Ich würde mich noch als in Form bezeichnen – ein klassischer Familienvater sozusagen, mit den Sorgen- und Freudenfalten, die man dadurch hat.
Und Sie sind Unternehmenschef von Amazon Deutschland und in dieser Funktion Partner für den DBSV bei der Erarbeitung des Hörfilm-Skills. Das ist offenbar der erste Skill seiner Art für die Zielgruppe blinder und sehbehinderter Menschen?
Ja, tatsächlich. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit und hoffe, dass das der Startschuss für eine Partnerschaft ist und wir irgendwann zurückschauen und sagen: Weißt du noch, damals der erste Skill, den wir gemacht haben – der Hörfilm-Skill? Das ist ein toller erster Schritt, der davon profitiert, dass drei Partner zusammenkommen: zum einen der DBSV, der uns der Kundengruppe der sehbehinderten und blinden Mitmenschen näherbringt, dann ARD, ZDF und Arte, die die entsprechenden Inhalte haben, die wir kostenfrei über den Skill zur Verfügung stellen können. Und natürlich Amazon mit dem Bestreben, das Leben aller unserer Kunden leichter zu machen.
Wie funktioniert das im Amazon-Konzern: Werden solche Dinge, die jetzt in Deutschland entwickelt werden, auch in andere Länder transportiert?
Das hoffen wir. Die deutsche Sprache für Alexa wird zum Beispiel maßgeblich in Aachen entwickelt. Wir sitzen also am Entwickler- und Forschungshebel. Unsere europäischen Kollegen werden schnell über die Ländergrenze herüberschauen und sich hoffentlich inspirieren lassen. Und dann machen wir ein großes globales Produkt daraus. Inhalte sind ja auch global, und wir würden uns sicher alle wünschen, dass auch die amerikanischen Serien zukünftig in einer Form kommen, die man im Hörfilm-Skill zur Verfügung stellen kann.
Bei Amazon Prime gibt es jetzt die ersten Audiodeskriptionsangebote. Soll dieses Angebot ausgebaut und möglicherweise in den Hörfilm-Skill integriert werden?
Idealerweise wird es Standard. Sie haben mir ja mal erklärt, dass die Kosten für eine audiodeskriptive Version sehr gering sind, wenn man die Gesamtentwicklungskosten für einen Film betrachtet.
Wir sind in Europa dabei, für den Online-Handel und für Medienplattformen Standards der Barrierefreiheit umzusetzen. Deutschland und die anderen EU-Länder werden die entsprechenden Regelungen bis Mitte 2022 umsetzen. Dann kommen noch Übergangsfristen. Könnte es für Amazon ein Weg sein zu sagen, wir warten nicht bis zum letzten Tag der Übergangsfristen, sondern streben eine Vorreiterfunktion an?
Eine Vorbildfunktion würde ich gern einnehmen. Wir haben ein Bewusstsein für Barrierefreiheit entwickelt und wollen in vielen Bereichen im Unternehmen dafür sorgen, dass unsere Dienstleistungen und Inhalte möglichst barrierefrei zugänglich werden. Im Shopping, also beim Online-Einkaufen, liegt noch eine schöne Wegstrecke vor uns. Wir wissen aus dem Feedback auch Ihrer Mitglieder, dass wir noch eine Menge tun müssen. Im Selbstversuch habe ich festgestellt, wie schwierig oder nahezu unmöglich es ist, bestimmte Produktgruppen online zu erwerben. Wir machen aber auch eigene Schritte. In unserem Logistikzentrum in Werne zum Beispiel integrieren wir Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, um festzustellen, wie man Arbeitsabläufe optimieren muss, damit sie barrierefrei wahrgenommen werden. Hier geht es nicht nur um Sprache, denn viele unserer Kunden haben unterschiedliche Beeinträchtigungen und müssen unterschiedliche Barrieren überwinden, um unsere Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Es muss Ziel unseres Unternehmens sein, diese Barrieren abzubauen. Wir wollen relevant sein für alle Kunden. Ein Weg, Kunden und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu verstehen, ist, die Vielfalt unserer Kunden in der Vielfalt unserer Mitarbeiter zu spiegeln.
Kann eine Organisation wie der DBSV ein Unternehmen wie Amazon auf dem Weg zur Barrierefreiheit unterstützen?
Ohne eine Organisation wie den DBSV stünden wir viel weiter hinten, was das Erkennen der Problematik betrifft. Und wenn ich die Problematik nicht erkenne, kann ich keine Lösung schaffen. Der DBSV ist für uns ein Expertengremium. Wir haben von vielen blinden und sehbehinderten Kunden erfahren, dass bestimmte Dinge nicht funktionieren und bestimmte Vorgänge zu lange dauern. Das müssen wir besser priorisieren und dann besser in der Lage sein, Standards zu entwerfen. Denn es geht nicht um Einzellösungen, sondern die Hoffnung ist, dass es uns gelingt, Wege aufzuzeigen, aus denen Standardlösungen entstehen.
Das hört sich so an, als seien Kooperationen zwischen Unternehmen und Organisationen aus dem Bereich behinderter Menschen eine gute Sache. Auch die DBSV-Amazon-Kooperation könnte also weitergeführt werden. Wie schätzen Sie das ein?
Ich hoffe sehr, dass das der Beginn einer längeren Kooperation ist. Ich hoffe, dass wir viele Dinge finden, die inspirierend wirken, auch für andere Unternehmen. Das ist ja kein Geheimprojekt. Die Aufgabe, Barrieren aus dem Leben zu schaffen, muss von vielen gestemmt werden, wenn nicht von uns allen. Das, was wir in die Waagschale werfen, ist Entwickler-Knowhow, Innovationspotenzial, Technik und die Möglichkeit, einen Standard, den wir vielleicht finden, global weiterzuentwickeln.
An welchen technologischen Entwicklungen, die die Nutzung digitaler Information erleichtern, arbeitet Amazon gerade?
Sie wollen das Geheimprojekt erfahren. Darüber darf ich natürlich nicht reden. Ich sage mal so: Wir sind davon überzeugt, dass Sprache zur Vereinfachung des Lebens beitragen kann, nicht nur in der Kommunikation zwischen Menschen, sondern auch bei der Erledigung zahlreicher Aufgaben. Das ist unsere Motivation. Warum umständliche Bedienungsanleitungen lesen, warum auf der Fernbedienung Knöpfe suchen, warum im Lift nach der Etage suchen, auf der Dr. Müller seine Zahnarztpraxis hat? Wir sehen Sprache als Vereinfachungsmöglichkeit für alle Kundengruppen – vom Kind bis zum Senior. Auch für mich, der ich abends nicht vom Sofa aufstehen möchte, um meine Rollläden oder mein Thermostat anders einzustellen. Sprache kann das Leben vereinfachen, wenn man sie auf natürliche Weise einsetzt. Wir wissen aber auch, dass Sprache etwas sehr Komplexes ist. Alexa in Deutschland hatte gerade ihren vierten Geburtstag, kommt also jetzt in den Kindergarten und hat noch einen weiten Weg vor sich, um das zu werden, was sich alle erhoffen: nämlich der einfachste Zugang zu bisher sehr komplexen Abläufen.
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