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Hiroko Oyamada – Das Loch

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Ich bin mit meinem Mann hierher aufs Land gezogen

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

– so beginnt der Roman „Das Loch“ von der japanischen Autorin Hiroko Oyamada. Doch von Idylle keine Spur. Vielmehr entpuppt sich das Landleben für die 30-jährige Asahi als ein Mix aus zu viel Tagesfreizeit und bizarren Zwischenfällen. Eine mäandernde Sommergeschichte, zwar knapp gehalten, aber ohne zwingende Dramaturgie. Das beginnt schon damit, dass Asahi gemeinsam mit ihrem Mann in ein Haus zieht, das neben dem seiner Eltern steht. Bloß war ihr dieses Haus vorher nie aufgefallen. Stand es wirklich schon früher da? Und warum wurde ihr nie erzählt, dass ihr Mann einen älteren Bruder hat, der im Gartenhaus wohnt, ein Hikikomori-Einsiedler? Oder bildet sie sich diesen Bruder bloß ein? Und was arbeiten ihre Schwiegereltern eigentlich? Ständig sind sie weg.
Meinem Schwiegervater war ich noch nicht so oft begegnet. Er war zu unserer Verlobungsparty und zur Hochzeit gekommen. Ich hatte ihn auch im Sommer zu Obon gesehen und als wir Neujahr zu Besuch gewesen waren, aber ich hatte keinen richtigen Eindruck von ihm, da meist meine Schwiegermutter die Unterhaltung bestritt. Er war längst im Rentenalter, aber in irgendeiner Funktion arbeitete er noch, vielleicht in einem Aufsichtsrat.

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

Reimt sich Asahi zusammen. Sie weiß kaum, wie der Schwiegervater aussieht, was an die groteske Erzählung „Feierabend“ des Koreaners Cheon Myeong-kwan erinnert (zu finden in der Zeitschrift „Krachkultur“). Darin lebt ein Familienvater nur noch im Büro und im Restaurant. Sein Sohn denkt, er habe die Familie vor vielen Jahren verlassen, doch es ist anders: Papa hat einfach bloß nie Feierabend.

Desperate Housewife Asahi kennt ihren Ehemann kaum

Auch desperate housewife Asahi weiß nicht genau, was ihr Mann tagsüber tut, wo er arbeitet und was er ständig am Handy tippt, wenn er denn mal zuhause ist. Sie fragt auch nicht nach. Überhaupt fragt keiner keinen irgendwas. Von einem Antrittsbesuch bei den Nachbarn rät die Schwiegermutter der zugezogenen Asahi ebenfalls ab: Die Nachbarn haben bestimmt anderes zu tun. Gelegentlich werden Hiroko Oyamadas Kurzromane mit Kafka verglichen, an dessen 100. Todestag gerade weithin erinnert wurde. „Das Loch“ ist ihr erster Roman auf Deutsch. Auf Englisch gibt es außerdem „The Factory“ – über den Alltag in einer immensen Fabrik – und „Weasels in the Attic“ – über ein abgeschiedenes Haus in den Bergen mit Wiesel-Plage. Am Kafka-Vergleich ist was dran, denn auch Oyamadas Figuren verstehen ihre Umgebung nicht, sind Arbeits- und Familienstrukturen oft ungut unterworfen. Allerdings fehlt ihnen dabei das Verzagte, Gequälte, das Kafkas Figuren oft haben. Oyamada schreibt Grusel ohne Schrecken.
Ich fiel in ein Loch. Ich fiel mit den Beinen zuerst und landete mit beiden Füßen auf dem Boden. Erstaunt blickte ich in das Schilf, das nun auf Augenhöhe stand, aber das Tier war darin verschwunden, eine Weile raschelte es noch, dann hörte ich nichts mehr. Direkt neben meinem Gesicht sprang ein Schnellkäfer aus dem Grün hervor. […] Schmerzen hatte ich keine. Das Loch reichte mir bis zur Brust, es musste etwa einen Meter tief sein. Ich passte gerade hinein, so eng war es, um mich herum war kaum Platz. Es war wie geschaffen für mich.

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

Von wilden Hunden und grölenden Kindern

Es ist ein schwarzes Tier, dem sie neugierig folgte. Hundeähnlich. Kein Zufall, dass es ausgerechnet am Fluss entlangläuft und dass sich dort auch das Loch befindet. In Oyamadas Geschichten spielen Flüsse eine besondere Rolle. Auch im Roman „The Factory“ fließt ein belebender Fluss durchs Firmenareal, und in ihrer eigens für das internationale literaturfestival berlin 2021 geschriebenen Geschichte „Das Biotop“ wird aus einem künstlichen Dachgarten-Geplätscher ein reißender Strom. Im Roman „Das Loch“ nun herrscht am Fluss fröhliche Anarchie. Wuchernde Pflanzen, zirpende Insekten – und auch viele Kinder, deren Haarschöpfe nicht zufällig an das rätselhafte Tier erinnern.
In dem Gebüsch am Deich zeigte sich hier und dort etwas Schwarzes und verschwand wieder. Es waren die Köpfe von noch mehr Kindern. Hatten sie keine Angst, sich an dem Schilf zu schneiden? Oder vor Zecken? Inmitten dieser Festung aus Gewächsen, die sie um einiges überragten, spielten sie ein Spiel, dessen Regeln ich nicht durchschaute. Ab und zu sprang eins der Kinder aus dem Dickicht hervor und schrie etwas, worauf die anderen Kinder vor Lachen grölten.

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

Zuhause bei Mama und Papa

Wüst sind diese Kinder, auch weil sie ständig irgendwas mampfen oder sich im 7-Eleven-Supermarkt breit machen und alle Mangas kostenlos lesen. Die kinderlose Asahi ist befremdet und fasziniert zugleich. Einerseits ist sie eine dieser typischen japanischen Frauenfiguren, die wenig entscheiden und meist zuhause bleiben. Yoko Ogawa, Mieko Kawakami und Sayaka Murata sind bekannt für Rückzugsromane dieser Art. Aber auch die Koreanerin Cho Nam-Joo hat mit „Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah“ gerade wieder einen Roman über eine junge Frau geschrieben, die nicht arbeiten, sondern lieber bei ihren Eltern bleiben will. Hiroko Oyamadas Erzählerin rafft sich schließlich doch noch auf und sucht sich einen Job als Verkäuferin mit Laden-Uniform. Eine farblose Wendung. Wie die Autorin auch aus dem schwarzen Tier, dem versteckten Schwager und den wilden Kindern mehr hätte machen können. Da fehlt es noch an Dramaturgie. Dennoch bezaubern ihre fantasievoll-fluiden Texte, denn sie erzählen den Übergang zwischen gebändigter und ungezähmter Natur. Sie überraschen in ihrer poetischen Bildlichkeit, und man kann sie auch als einen Kommentar auf den ökologischen Zustand unserer Welt lesen.
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Ich bin mit meinem Mann hierher aufs Land gezogen

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

– so beginnt der Roman „Das Loch“ von der japanischen Autorin Hiroko Oyamada. Doch von Idylle keine Spur. Vielmehr entpuppt sich das Landleben für die 30-jährige Asahi als ein Mix aus zu viel Tagesfreizeit und bizarren Zwischenfällen. Eine mäandernde Sommergeschichte, zwar knapp gehalten, aber ohne zwingende Dramaturgie. Das beginnt schon damit, dass Asahi gemeinsam mit ihrem Mann in ein Haus zieht, das neben dem seiner Eltern steht. Bloß war ihr dieses Haus vorher nie aufgefallen. Stand es wirklich schon früher da? Und warum wurde ihr nie erzählt, dass ihr Mann einen älteren Bruder hat, der im Gartenhaus wohnt, ein Hikikomori-Einsiedler? Oder bildet sie sich diesen Bruder bloß ein? Und was arbeiten ihre Schwiegereltern eigentlich? Ständig sind sie weg.
Meinem Schwiegervater war ich noch nicht so oft begegnet. Er war zu unserer Verlobungsparty und zur Hochzeit gekommen. Ich hatte ihn auch im Sommer zu Obon gesehen und als wir Neujahr zu Besuch gewesen waren, aber ich hatte keinen richtigen Eindruck von ihm, da meist meine Schwiegermutter die Unterhaltung bestritt. Er war längst im Rentenalter, aber in irgendeiner Funktion arbeitete er noch, vielleicht in einem Aufsichtsrat.

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

Reimt sich Asahi zusammen. Sie weiß kaum, wie der Schwiegervater aussieht, was an die groteske Erzählung „Feierabend“ des Koreaners Cheon Myeong-kwan erinnert (zu finden in der Zeitschrift „Krachkultur“). Darin lebt ein Familienvater nur noch im Büro und im Restaurant. Sein Sohn denkt, er habe die Familie vor vielen Jahren verlassen, doch es ist anders: Papa hat einfach bloß nie Feierabend.

Desperate Housewife Asahi kennt ihren Ehemann kaum

Auch desperate housewife Asahi weiß nicht genau, was ihr Mann tagsüber tut, wo er arbeitet und was er ständig am Handy tippt, wenn er denn mal zuhause ist. Sie fragt auch nicht nach. Überhaupt fragt keiner keinen irgendwas. Von einem Antrittsbesuch bei den Nachbarn rät die Schwiegermutter der zugezogenen Asahi ebenfalls ab: Die Nachbarn haben bestimmt anderes zu tun. Gelegentlich werden Hiroko Oyamadas Kurzromane mit Kafka verglichen, an dessen 100. Todestag gerade weithin erinnert wurde. „Das Loch“ ist ihr erster Roman auf Deutsch. Auf Englisch gibt es außerdem „The Factory“ – über den Alltag in einer immensen Fabrik – und „Weasels in the Attic“ – über ein abgeschiedenes Haus in den Bergen mit Wiesel-Plage. Am Kafka-Vergleich ist was dran, denn auch Oyamadas Figuren verstehen ihre Umgebung nicht, sind Arbeits- und Familienstrukturen oft ungut unterworfen. Allerdings fehlt ihnen dabei das Verzagte, Gequälte, das Kafkas Figuren oft haben. Oyamada schreibt Grusel ohne Schrecken.
Ich fiel in ein Loch. Ich fiel mit den Beinen zuerst und landete mit beiden Füßen auf dem Boden. Erstaunt blickte ich in das Schilf, das nun auf Augenhöhe stand, aber das Tier war darin verschwunden, eine Weile raschelte es noch, dann hörte ich nichts mehr. Direkt neben meinem Gesicht sprang ein Schnellkäfer aus dem Grün hervor. […] Schmerzen hatte ich keine. Das Loch reichte mir bis zur Brust, es musste etwa einen Meter tief sein. Ich passte gerade hinein, so eng war es, um mich herum war kaum Platz. Es war wie geschaffen für mich.

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

Von wilden Hunden und grölenden Kindern

Es ist ein schwarzes Tier, dem sie neugierig folgte. Hundeähnlich. Kein Zufall, dass es ausgerechnet am Fluss entlangläuft und dass sich dort auch das Loch befindet. In Oyamadas Geschichten spielen Flüsse eine besondere Rolle. Auch im Roman „The Factory“ fließt ein belebender Fluss durchs Firmenareal, und in ihrer eigens für das internationale literaturfestival berlin 2021 geschriebenen Geschichte „Das Biotop“ wird aus einem künstlichen Dachgarten-Geplätscher ein reißender Strom. Im Roman „Das Loch“ nun herrscht am Fluss fröhliche Anarchie. Wuchernde Pflanzen, zirpende Insekten – und auch viele Kinder, deren Haarschöpfe nicht zufällig an das rätselhafte Tier erinnern.
In dem Gebüsch am Deich zeigte sich hier und dort etwas Schwarzes und verschwand wieder. Es waren die Köpfe von noch mehr Kindern. Hatten sie keine Angst, sich an dem Schilf zu schneiden? Oder vor Zecken? Inmitten dieser Festung aus Gewächsen, die sie um einiges überragten, spielten sie ein Spiel, dessen Regeln ich nicht durchschaute. Ab und zu sprang eins der Kinder aus dem Dickicht hervor und schrie etwas, worauf die anderen Kinder vor Lachen grölten.

Quelle: Hiroko Oyamada – Das Loch

Zuhause bei Mama und Papa

Wüst sind diese Kinder, auch weil sie ständig irgendwas mampfen oder sich im 7-Eleven-Supermarkt breit machen und alle Mangas kostenlos lesen. Die kinderlose Asahi ist befremdet und fasziniert zugleich. Einerseits ist sie eine dieser typischen japanischen Frauenfiguren, die wenig entscheiden und meist zuhause bleiben. Yoko Ogawa, Mieko Kawakami und Sayaka Murata sind bekannt für Rückzugsromane dieser Art. Aber auch die Koreanerin Cho Nam-Joo hat mit „Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah“ gerade wieder einen Roman über eine junge Frau geschrieben, die nicht arbeiten, sondern lieber bei ihren Eltern bleiben will. Hiroko Oyamadas Erzählerin rafft sich schließlich doch noch auf und sucht sich einen Job als Verkäuferin mit Laden-Uniform. Eine farblose Wendung. Wie die Autorin auch aus dem schwarzen Tier, dem versteckten Schwager und den wilden Kindern mehr hätte machen können. Da fehlt es noch an Dramaturgie. Dennoch bezaubern ihre fantasievoll-fluiden Texte, denn sie erzählen den Übergang zwischen gebändigter und ungezähmter Natur. Sie überraschen in ihrer poetischen Bildlichkeit, und man kann sie auch als einen Kommentar auf den ökologischen Zustand unserer Welt lesen.
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