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AFRIKA - Der Maji-Maji-Aufstand

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Eine Medizin sollte sie unverwundbar machen: Im Maji-Maji-Krieg kämpften afrikanische Völker gegen die deutschen Kolonialherren. Es war ein aussichtsloser Kampf, die Folgen sind bis heute spürbar in Ostafrika. Von Linus Lüring (BR 2019)

Credits
Autor: Linus Lüring
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Hans-Jürgen Stockerl, Hemma Michel, Stefan Wilkening
Technik: Adele Kurdziel
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Prof. Dr. Felicitas Becker
Besonderer Linktipp der Redaktion:
WDR: Der Germanwings-Absturz – Zehn Jahre ohne euch
Der Germanwings-Absturz reißt im März 2015 riesige Lücken in zahlreiche Familien: 150 Menschen sterben. Wie machen Familien weiter, wenn geliebte Menschen plötzlich fehlen? WDR-Reporterin Justine Rosenkranz hat Angehörige zehn Jahre lang begleitet. ZUM PODCAST
Linktipps:
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Das Forum Demokratie beschäftigt sich in diesem Jahr mit der Schuld die Deutschland auf sich geladen hat. Wie weit ist die Aufarbeitung der Geschichte, wenn es um die Kolonialzeit geht und wie prägt die Erinnerungskultur unsere heutige Identität? JETZT ANSEHEN
rbb (2024): Deutscher Kolonialismus – Ein blinder Fleck in der Erinnerungskultur
Die deutschen Verbrechen während des Kolonialismus haben in der Erinnerungskultur bisher nur wenig Raum. Dieses Defizit hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus erkannt. Ende April wurde ein Erinnerungskonzept vorgestellt, das nun überarbeitet wird. Wie stehen Menschen dazu, die aus afrikanischen Ländern stammen und in Berlin wohnen? Von Wolf Siebert JETZT ANHÖREN

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ATMO Grillenzirpen

Sprecher
Der Anfang wirkt harmlos: Es ist der 20. Juli 1905 im Süden von Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania. Eine kleine Gruppe von Männern vom Volk der Matumbi beginnt damit, Baumwollpflanzen auszureißen. Die Plantagen sind für die Afrikaner das Symbol für Fremdherrschaft und Ausbeutung durch die deutsche Kolonialmacht.

Sprecherin
Seit 1885 haben die Deutschen das Gebiet besetzt. Damit soll jetzt Schluss sein. Was aussieht wie ein bloßer Streik, ist allerdings eine lange vorbereitete Kriegserklärung. So beginnt der Maji-Maji-Krieg, der bis dahin größte antikoloniale Befreiungskrieg in Afrika.

Sprecher
Als der Statthalter der Deutschen von den Vorfällen auf der Baumwollplantage hört, schickt er sofort einige Ordnungskräfte, um die Lage in den Griff zu bekommen. Aber die haben gegen die Übermacht der afrikanischen Kämpfer keine Chance und werden davongejagt. Kurze Zeit später überrennen die afrikanischen Krieger auch den Amtssitz des deutschen Statthalters. Auch er muss fliehen. Wenig später wird der deutsche Plantagenbesitzer Hopfer umgebracht.

Sprecher
Trotzdem ahnen die Deutschen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was da auf sie zukommen wird. Felicitas Becker, Professorin für afrikanische Geschichte an der Universität Gent:

O-Ton Becker 1
Die Deutschen hatten glaub ich wirklich keine Ahnung. Das hat zu tun damit, weil die Deutschen eh nicht viel wussten. Die paar Hämpfe da im Land, was die Leute so sagten und dachten. Es hat auch damit zu tun, dass gerade die Gegend wo der Maji-Maji-Krieg anfing eigentlich galt als bewohnt von, sagen wir mal, dumm-harmlosen Menschen. Es wurde ja sehr rassistisch gedacht. Und es gab bestimmte Ethnien, die galten als kriegerisch und es gab andere Ethnien, die galten als nicht kriegerisch. Und die Leute, die da wohnten, die galten als nun überhaupt nicht waffenfähig und die waren auch wirklich bei Kriegen, die es in der Gegend im 19. Jahrhundert gab, eigentlich immer auf der Seite der Verlierer gewesen.

ATMO Trommel und Rufe

Sprecher
Aber jetzt sind die Einheimischen wild entschlossen. Sie fühlen sich stark wie nie, ja sogar unverwundbar. Dank dem Maji, einer Wundermedizin, sollen die Kugeln der Deutschen an ihnen einfach abprallen. „Maji“ bedeutet auf Swaheli „Wasser“, und das war auch die Grundlage der Medizin, zusammen mit gekochter Hirse.

Sprecherin
Etwa ein Jahr vor dem Ausbruch des Krieges hatte ein Mann namens Kinjikitile die Maji-Medizin erfunden. Eine eindrucksvolle Erscheinung soll er gewesen sein - groß mit langen Haaren und stets ganz in weiß gekleidet.

O-Ton Becker 2
Kinjikitile war von Beruf ein Heiler, also ein Experte in traditioneller Medizin. Und das waren Menschen, die eigentlich immer eine starke Beziehung hatten zu Geistern, spirits, also Gottheiten, die in der Regel irgendwo in Natur verortet waren. Bei Kinjikitile war das ein bestimmter Teich, einer Verbreiterung in einem Fluss, wo er in der Nähe von wohnte. Und es gibt dann Beschreibungen davon, dass er eine Vision hatte. Er wurde entführt von Geist. Er verbrachte mehrere Stunden unter Wasser und kam dann zurück mit diesem neuen Programm.

Sprecher
Anschließend verkündete Kinjikitile seine Vision und warb dabei für die Maji-Medizin. Die Botschaft muss sich in der Region rasant verbreitet haben: Denn Maji sollte nicht nur unverwundbar machen im Kampf gegen die Deutschen. Mehr noch: Auch die Ernten sollten gut und wilde Tiere zahm werden. Manche tranken das Maji, andere schütteten es sich über den Kopf. Es wurde zu einer Art Allheilmittel für tausende von Menschen.

O-Ton Becker 3
Kinjikitile ist eine sehr interessante Figur. Und es ist klar, dass seine Leistung genau die war, Ideen, die schon lang bestanden, neu zu kombinieren und in eine Form zu bringen, in der sie brauchbar waren als Reaktion auf eine noch nie dagewesene Situation.

Sprecher
Denn nie zuvor waren die Menschen in der Region so bedroht, wie durch die deutsche Kolonialherrschaft. Kinjikitile empfing immer häufiger Vertreter der unterschiedlichsten Volksgruppen und überreicht ihnen in ausgedehnten Zeremonien das Maji.

Sprecherin
Das Besondere: Kinjikitile organisierte dabei auch regelrechte militärische Trainingseinheiten - eine gezielte Vorbereitung auf den Kampf. Völker, die bisher nichts miteinander zu tun hatten oder sogar verfeindet waren, verbündeten sich: Eine bis dahin ungeahnte Entwicklung.

MUSIK

Sprecher
Die Botschaft vom beginnenden Aufstand mobilisiert die Massen. Mit dem Schlachtruf “Maji!” stürzen sich die Krieger in den Kampf gegen die Deutschen. So bekommt der Konflikt auch seinen Namen – „Maji-Maji-Krieg“. Hunderte Kämpfer überrennen und plündern die Küstenstadt Sangawa. In Liwale erobern die Krieger auch die erste Festung der Deutschen. Mit Brandpfeilen attackieren die Kämpfer die Gebäude. Ein deutscher Offizier, Siedler und afrikanische Hilfssoldaten werden getötet. Diese raschen Erfolge Mitte 1905 und der Glaube an das Maji beflügeln die afrikanischen Kämpfer regelrecht.

Sprecherin
Die Deutschen Kolonialisten dagegen sind geschockt. Für sie kommt die Erhebung zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt. Die Kolonialverwaltung steht bereits unter enormem Druck. Denn seit längerem wächst die Kritik im Deutschen Reich am teuren Kolonial-Abenteuer. Der Grund: Die versprochenen Gewinne bleiben aus, stattdessen sind die Kolonien ein enormes Zuschussgeschäft.

O-Ton Becker 4
Es gab in Deutschland und auch sonst in Europa eine sehr naive Annahme, dass es ganz einfach sei, tropische Kolonien profitabel zu machen. Da ist es so schön warm, da wächst doch alles. Die Leute liegen sowieso auf der faulen Haut. Man muss sie nur endlich zum Arbeiten bringen. Und das war natürlich eine totale Fehlkalkulation. Tatsächlich ist es so, dass tropische Landwirtschaft vielen, vielen Herausforderungen gegenübersteht und gerade Arbeitskräftemangel ein ständiges Problem ist. Das Land war ja wahnsinnig gering bevölkert. Und nachdem sich dann verschiedene Versuche, durch die Einführung neuer landwirtschaftlicher Produkte in dem Land Gewinne zu machen, als Holzweg herausstellten, verfiel man eben auf Zwangsarbeit in Baumwollfeldern.

ATMO Grillenzirpen

Sprecher
Mit aller Macht versuchten die Deutschen, möglichst viel Profit aus der Kolonie herauszupressen - ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Prügelstrafen und überlange Arbeitstage waren an der Tagesordnung. Mit dem Amtsantritt des neuen Gouverneurs der Kolonie, Gustav Adolf Graf von Götzen, verschärfte sich die Lage nochmals. Anfang des Jahres 1905 verfügte er eine drastische Steuererhöhung und außerdem wurde immer mehr Land enteignet.
Es wurde für die immer größeren Plantagen gebraucht. Unter den Einheimischen staute sich die Wut an. Dieses Gefühl griff Kinjikitile auf und versprach eine Lösung. Sein Maji sollte der Ausbeutung ein Ende bereiten!

Sprecherin
Allerdings gelingt es den Deutschen, ihn als Hauptverantwortlichen hinter dem Aufstand auszumachen. Kinjikitile wird mit anderen festgenommen und wenige Wochen nach dem Beginn des Maji-Maji-Krieges hingerichtet - bis zum Schluss soll er überzeugt gewesen sein von seiner Vision. So hält es Gouverneur von Götzen in seinen Erinnerungen fest.

Zitator
Der Ältere der Verurteilten, der Oberzauberer, sollte nun kurz vor seiner Exekution geäußert haben, er fürchte sich nicht vor dem Tode. Seine Hinrichtung werde auch nichts mehr nützen, denn seine Medizin habe schon bis nach Kilossa und Mahenge hin ihre Wirkung getan. Trotz der bekannten Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod und ihrer Neigung zum Renommieren, durfte diese fast triumphierende Warnung nicht leichtgenommen werden. Angesichts der Gesamtlage war Vorsicht geboten.

Sprecherin
Die Ahnung soll sich bestätigen. Im August 1905 folgt beinahe täglich eine größere Attacke auf Stationen und Siedlungen der deutschen Kolonialherren. 10.000 Kämpfer greifen die größte Militärstation der Gegend in Mahenge an. An diesen Angriff erinnert sich der deutsche Feldarzt Wilhelm Arning später so:

Zitator
Sie sind mit einer Einigkeit und Entschlossenheit in den Aufstand von 1905 eingetreten, die erstaunlich ist und fast Bewunderung erwecken könnte. Zu vielen Tausenden fanden sie sich aus der Ebene und von den Bergen zusammen, um die verhasste Station niederzuwerfen. Sie gaben ein für die deutsch-ostafrikanische Kriegsgeschichte unerhörtes, kaum für möglich gehaltenes Beispiel, indem sie einen großen, gut gebauten und stark besetzten festen Platz mit stürmischer Hand zu nehmen versuchten.

Sprecherin
Der Angriff kann von den Deutschen schließlich gerade noch abgewehrt werden. Dabei wird eines immer deutlicher: Das zentrale Versprechen des Maji wirkt nicht - nämlich, dass es unverwundbar macht. Unzählige afrikanische Angreifer sterben im Kugelhagel der deutschen Truppen. Ein deutscher Kommandant beschreibt in seinem Tagebuch “Berge von toten Afrikanern”.

Sprecher
Aber der Glaube an das Maji lebt trotzdem noch weiter. Denn, damit das Maji wirkt, mussten bestimmte Vorgaben eingehalten werden - sexuelle Enthaltsamkeit zum Beispiel. Aber auch manche Speisen waren Tabu, wie Historikerin Felicitas Becker erklärt:

O-Ton Becker 5
Und wenn dann welche erschossen wurden, dann war es für die Boten des Maji, bekannt unter dem Namen Hongo, relativ einfach zu sagen - naja die haben irgendwas falsch gemacht. Und als sich dann schnell herausstellte, dass das Maji nicht wirksam war, kam es auch dazu, dass dann neue Runden Maji gekocht oder geschickt wurden und dann wurde, das ist jetzt besser. Oder es wurden neue Tabus hinzugefügt und auf diese Weise konnte die Glaubwürdigkeit des Maji mehrmals erneuert werden.

Sprecher
So breiten sich die Kämpfe immer weiter aus. Bereits zwei Monate nach dem Beginn des Maji-Maji-Kriegs, hat dieser seine größte Ausdehnung erreicht: Die komplette Südhälfte der Kolonie Deutsch-Ostafrika ist betroffen, ein Gebiet etwa so groß wie die Bundesrepublik Deutschland.

Sprecherin
Der deutschen Kolonialverwaltung fehlt es schlicht an Personal, um sich den Kämpfern wirkungsvoll entgegenzustellen und nicht nur Verwaltungsstationen zu verteidigen. Bei Gouverneur von Götzen macht sich Verzweiflung breit.

Zitator
Es wurde bereits angedeutet, daß der Sparsamkeitsdrang des Mutterlandes den Gouverneur von Deutsch-Ostafrika vor eine in gewissen Fällen unlösbare Aufgabe stellt. Diese Aufgabe bestand im Jahre 1905 in kurzen Worten darin, eine Million Quadratkilometer Landes mit beträchtlichen darin investierten europäischen Werten zu sichern.

Sprecherin
Die koloniale Armee der Deutschen ist zahlenmäßig völlig unterlegen. Die sogenannte “Schutztruppe” umfasst nicht mal 4500 Mann. Dabei sind nur die Offiziere Deutsche. Die meisten Soldaten sind Afrikaner, die sogenannten Askaris. Söldner, die vor allem im Sudan angeworben worden waren. Verzweifelt bittet Gouverneur von Götzen die Führung des Deutschen Reichs um Unterstützung.

Sprecher
Allerdings gilt deren Aufmerksamkeit gerade eher Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Dort haben sich die Herero und die Nama erhoben. Hier ist das Deutsche Reich bereits in einen langwierigen Kampf verwickelt. Dennoch: Schließlich wird Verstärkung bewilligt. Aber die Verlegung deutscher Marinesoldaten braucht Zeit, ebenso die Anwerbung neuer Askari. Erst im Oktober 1905 trifft die Verstärkung ein.

Sprecherin
Nun gehen die deutschen Truppen in die Offensive. In sogenannten “Straf-Expeditionen” folgen sie den Maji-Maji-Kämpfern. Es kommt nicht selten zu regelrechten Massakern. Weit weg von der Kolonialverwaltung in Daressalam fühlen sich die Offiziere ohne Kontrolle. Ihre Brutalität kennt daher oft kaum Grenzen. Besonders verheerend ist dabei eine Waffe: Das Maschinengewehr, die sogenannte „Gatling gun“.

O-Ton Becker 6
Da gibt es wieder einen schönen englischen Reim:
“Whatever happens, we have got
the Gatling gun and they have not.”

Sprecherin
Egal was passiert – wir haben das Gatling-Maschinengewehr, sie haben es nicht.

Sprecher
Die afrikanischen Krieger sind mit ihren Pfeilen, Speeren und anderen veralteten Wurfgeschossen ohne jede Chance - auch wenn sie zu tausenden angreifen. In Schlachten auf offenem Feld werden sie regelrecht niedergemäht. Spätestens jetzt verlieren die meisten den Glauben an die übernatürlichen Kräfte des Maji. Dennoch setzen Maji-Maji-Kämpfer den Krieg fort, meiden allerdings jetzt größere Feldschlachten.

Sprecherin
Der Maji-Maji-Krieg tritt in eine neue Phase ein. Die afrikanischen Kämpfer setzen stattdessen setzen sie auf Guerilla-Taktiken. Sie kennen sich im Gelände besser aus und versuchen den Truppen der Deutschen aufzulauern und sie in Hinterhalte zu locken. Zwar können sie den Feind immer wieder überraschen. Aber nachhaltig stoppen können sie die Kolonialtruppen nicht. Auch nicht, indem sie immer wieder Telegraphenleitungen zerstören, die die Deutschen zur Kommunikation dringend brauchen.

Sprecher
Dazu kommt - da so viele unterschiedliche Völker beteiligt sind, gibt es keine einheitliche Strategie unter den Maji-Maji-Kämpfern, keine Absprachen, kein gemeinsames Vorgehen.

O-Ton Becker 7
Es gab die, die dann einfach mit dem Mut der Verzweiflung weitergekämpft haben. Das war zum Beispiel der Fall bei den Ngoni. Obwohl auch die ziemlich am Anfang ihrer Kampagne sozusagen eine Attacke durch deutsche Maschinengewehre katastrophal verloren und dadurch wurde ihre strategische Einheit zerstört und sie kämpften dann eben in kleinen Gruppen weiter. Es gab auch die, die ziemlich schnell aufgaben. Aber das Problem ist, die Deutschen erkannten ihrerseits unter den Aufständischen überhaupt keine legitimen Herrschaftsstrukturen mehr an.

Sprecher
Der Maji-Maji-Krieg wird gegen Ende des Jahres 1905 unübersichtlich. In dem oft gebirgigen Gelände entwickelt sich immer häufiger ein Kleinkrieg. Wirkliche Gebietsgewinne gibt es bei vielen Angriffen nicht. Auch die Deutschen wechseln deshalb ihre Taktik und hinterlassen, wo sie können, “verbrannte Erde”. Gouverneur Gustav Adolf von Götzen rechtfertigt das Tun der Schutztruppe später.

Zitator
Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften, sei es nun in Marokko oder in Java oder im tropischen Afrika, war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut unerläßlich.
Die Vernichtung von wirtschaftlichen Werten, wie das Abbrennen von Ortschaften und Lebensmittel-Beständen, erscheint wohl dem Fernstehenden barbarisch. Vergegenwärtigt man sich aber einerseits, in wie kurzer Zeit afrikanische Hütten wieder entstehen und wie rasch die Üppigkeit der tropischen Natur neue Feldfrüchte hervorbringt, andererseits, daß in den meisten Fällen, wie auch dieser Aufstand bewiesen hat, ein solches Vorgehen einzig und allein den Gegner zur Unterwerfung zu zwingen vermag, dann wird man zu einer milderen Auffassung gelangen.

Sprecherin
Was Gouverneur von Götzen hier zu verharmlosen versucht und als alternativlos beschreibt, wird später dramatische Folgen für die Bevölkerung haben. Überall im Aufstandsgebiet werden nun Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, Vorratskammern zerstört und Brunnen vergiftet. Diese Drecksarbeit überlassen deutsche Offiziere afrikanischen Hilfstruppen, den sogenannten Rugaruga.

Sprecher
Zwar haben sich immer mehr kämpfende Volksgruppen ergeben, aber auch zu diesem Zeitpunkt gibt es noch Widerstand. Das Elend wird immer größer und die Deutschen wissen, dass sie jetzt eigentlich nur noch abwarten müssen, wie Gouverneur von Götzen einmal in seinem Tagebuch notiert.

Zitator
Major Johannes ist heute aus den Matumbi-Bergen zurückgekehrt. Er hat die Auffassung mitgebracht, dass die Unterwerfung der Aufständischen dort noch lange Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Da die Kulturen überall vernichtet sind, kann aber die Truppe darauf rechnen, dass der Hunger das Seine zur Beschleunigung tun wird. Eine unvermeidliche und traurige Aussicht, wenn man bedenkt, dass diese Wunden nicht Feindesland, sondern der eigenen, vielen schon zur Heimat gewordenen Erde geschlagen werden!

Sprecher
Die Deutschen machen keinen Unterschied zwischen Aufständischen und Zivilisten, erklärt Historikerin Felicitas Becker.

O-Ton Becker 8
Männer, Frauen, Kinder, Alte. Alle galten dann als legitimes Ziel. Und das zog sich hin über viele Monate. Sodass, obwohl die größten Kampfhandlungen des Krieges Mitte 1906 dann vorbei waren, die größte Hungersnot, die der Krieg auslöste, erst Ende 1907 stattfand. Der größte Anteil der Menschen, die durch Maji-Maji gestorben sind, starb an Hunger.

Sprecherin
Missionare berichten von einer gespenstischen Stimmung in den menschenleeren Gegenden, von Verwesungsgestank und Seuchen, die sich ausbreiten. “Es ist kein frohes Leben mehr zu beobachten. Nicht einmal mehr unter der sonst so lustigen Jugend”, heißt es in einem Bericht.

Sprecher
Erst Mitte 1908 ergeben sich dann die letzten Maji-Kämpfer. Drei Jahre nach dem Ausbruch des Krieges. Die Einheimischen müssen sich der deutschen Übermacht ergeben.

O-Ton Becker 9
Einer der bekanntesten Historiker der Gegend weist auch darauf hin, dass die Menschen im Aufstandsgebiet auch eine Schlacht gegen die Natur verloren hätten. Darüber gibt es viele Berichte. Nach dem Ende von Maji-Maji wurden Elefanten gesehen in Gegenden, wo sie schon verdrängt gewesen waren. Und es gibt auch Berichte darüber, dass die Löwen zum Teil dann in die erbärmlich gebauten Hütten der Überlebenden eindrangen und die Menschen in den Häusern verschlangen, weil die so geschwächt waren, dass sie Abwehr der Löwen nicht mehr organisieren konnten.

Sprecher
Über die Gesamtzahl der Opfer im Aufstandsgebiet gibt es sehr unterschiedliche Schätzungen.

O-Ton Becker 10
Wie viele genau, das ist schwer zu sagen, weil man so wenig drüber weiß, wie viele Menschen vorher da waren. Aber 200.000 ist so `ne Zahl, die oft genannt wird.

MUSIK

Sprecher
Wie ungleich der Krieg war, wird klar, wenn man diese Zahl mit den Opferzahlen auf der Seite der deutschen Kolonisatoren vergleicht - zwar sollen mehr als 1000 der afrikanischen Hilfssoldaten der deutschen Kolonialtruppen gestorben sein - aber gerade mal 15 Europäer starben durch die Kämpfe.

Sprecherin
Nachdem der Krieg beendet ist, beginnt in den Aufstandsgebieten ein langwieriger Wiederaufbau. Erst nach Jahren ist die Landwirtschaft wiederhergestellt und die Menschen kehren mehr und mehr zurück in den Süden der Kolonie.

Sprecher
In den folgenden Jahrzehnten verschwindet der Maji-Maji-Krieg aus den öffentlichen Debatten. Die verheerende Not, die Massaker durch die Deutschen - daran möchte niemand erinnert werden. Ähnliche Widerstandsbewegungen gibt es in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr. Weder gegen die deutschen noch - nach dem Ersten Weltkrieg - gegen die britischen Kolonialisten.

Sprecherin
Erst in den 1950er-Jahren ändert sich das schlagartig. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region werden lauter. Dabei erinnern sich viele wieder an den Maji-Maji-Krieg. Der völkerübergreifende Charakter des Widerstands wird immer wieder betont. Darin habe sich bereits ein gewisses Nationalgefühl angedeutet, erklärt zum Beispiel Julius Nyerere, einer der führenden Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung. Er wird später auch der erste Staatspräsident Tansanias. Nicht mehr Not und Elend sollten bei der Erinnerung an den Maji-Maji-Krieg im Mittelpunkt stehen, sondern Stolz auf den Widerstandsgeist und die Hoffnung auf Selbstbestimmung.

Sprecher
Gleichzeitig stößt die Unabhängigkeitsbewegung, die sich in der Tradition der Maji-Bewegung sieht, im ehemaligen Aufstandsgebiet auf große Skepsis. Vor allem ältere Menschen, die den Krieg noch erlebt haben, befürchten, dass es wieder zu einem Blutvergießen kommen könnte. Die Sorgen sind unbegründet: 1961 wurde Tansania unabhängig - völlig friedlich.

Sprecherin
Und im heutigen Tansania? Da ist die Erinnerung an den Maji-Maji-Krieg nicht unbedingt gerne gesehen.

O-Ton Becker 11
Es ist ja so, dass derzeit das politischen Klima in Tansania eigentlich auch eher repressiver wird und die Vorstellung von spontanem Protest ist auch den postkolonialen tansanischen Politikern nicht unbedingt willkommen. Man will spontane anführerlose, soziale Proteste als solche eigentlich nicht feiern.

Sprecher
Dahinter steht die Sorge, dass sich eine Widerstandsbewegung jetzt nicht mehr gegen Kolonialherren richtet, sondern gegen die Regierung. Obwohl der Maji-Maji-Krieg einer der großen antikolonialen Befreiungskämpfe in Afrika war, droht er so weiter in Vergessenheit zu geraten.

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Eine Medizin sollte sie unverwundbar machen: Im Maji-Maji-Krieg kämpften afrikanische Völker gegen die deutschen Kolonialherren. Es war ein aussichtsloser Kampf, die Folgen sind bis heute spürbar in Ostafrika. Von Linus Lüring (BR 2019)

Credits
Autor: Linus Lüring
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Hans-Jürgen Stockerl, Hemma Michel, Stefan Wilkening
Technik: Adele Kurdziel
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Prof. Dr. Felicitas Becker
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Die deutschen Verbrechen während des Kolonialismus haben in der Erinnerungskultur bisher nur wenig Raum. Dieses Defizit hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus erkannt. Ende April wurde ein Erinnerungskonzept vorgestellt, das nun überarbeitet wird. Wie stehen Menschen dazu, die aus afrikanischen Ländern stammen und in Berlin wohnen? Von Wolf Siebert JETZT ANHÖREN

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Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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Der Anfang wirkt harmlos: Es ist der 20. Juli 1905 im Süden von Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania. Eine kleine Gruppe von Männern vom Volk der Matumbi beginnt damit, Baumwollpflanzen auszureißen. Die Plantagen sind für die Afrikaner das Symbol für Fremdherrschaft und Ausbeutung durch die deutsche Kolonialmacht.

Sprecherin
Seit 1885 haben die Deutschen das Gebiet besetzt. Damit soll jetzt Schluss sein. Was aussieht wie ein bloßer Streik, ist allerdings eine lange vorbereitete Kriegserklärung. So beginnt der Maji-Maji-Krieg, der bis dahin größte antikoloniale Befreiungskrieg in Afrika.

Sprecher
Als der Statthalter der Deutschen von den Vorfällen auf der Baumwollplantage hört, schickt er sofort einige Ordnungskräfte, um die Lage in den Griff zu bekommen. Aber die haben gegen die Übermacht der afrikanischen Kämpfer keine Chance und werden davongejagt. Kurze Zeit später überrennen die afrikanischen Krieger auch den Amtssitz des deutschen Statthalters. Auch er muss fliehen. Wenig später wird der deutsche Plantagenbesitzer Hopfer umgebracht.

Sprecher
Trotzdem ahnen die Deutschen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was da auf sie zukommen wird. Felicitas Becker, Professorin für afrikanische Geschichte an der Universität Gent:

O-Ton Becker 1
Die Deutschen hatten glaub ich wirklich keine Ahnung. Das hat zu tun damit, weil die Deutschen eh nicht viel wussten. Die paar Hämpfe da im Land, was die Leute so sagten und dachten. Es hat auch damit zu tun, dass gerade die Gegend wo der Maji-Maji-Krieg anfing eigentlich galt als bewohnt von, sagen wir mal, dumm-harmlosen Menschen. Es wurde ja sehr rassistisch gedacht. Und es gab bestimmte Ethnien, die galten als kriegerisch und es gab andere Ethnien, die galten als nicht kriegerisch. Und die Leute, die da wohnten, die galten als nun überhaupt nicht waffenfähig und die waren auch wirklich bei Kriegen, die es in der Gegend im 19. Jahrhundert gab, eigentlich immer auf der Seite der Verlierer gewesen.

ATMO Trommel und Rufe

Sprecher
Aber jetzt sind die Einheimischen wild entschlossen. Sie fühlen sich stark wie nie, ja sogar unverwundbar. Dank dem Maji, einer Wundermedizin, sollen die Kugeln der Deutschen an ihnen einfach abprallen. „Maji“ bedeutet auf Swaheli „Wasser“, und das war auch die Grundlage der Medizin, zusammen mit gekochter Hirse.

Sprecherin
Etwa ein Jahr vor dem Ausbruch des Krieges hatte ein Mann namens Kinjikitile die Maji-Medizin erfunden. Eine eindrucksvolle Erscheinung soll er gewesen sein - groß mit langen Haaren und stets ganz in weiß gekleidet.

O-Ton Becker 2
Kinjikitile war von Beruf ein Heiler, also ein Experte in traditioneller Medizin. Und das waren Menschen, die eigentlich immer eine starke Beziehung hatten zu Geistern, spirits, also Gottheiten, die in der Regel irgendwo in Natur verortet waren. Bei Kinjikitile war das ein bestimmter Teich, einer Verbreiterung in einem Fluss, wo er in der Nähe von wohnte. Und es gibt dann Beschreibungen davon, dass er eine Vision hatte. Er wurde entführt von Geist. Er verbrachte mehrere Stunden unter Wasser und kam dann zurück mit diesem neuen Programm.

Sprecher
Anschließend verkündete Kinjikitile seine Vision und warb dabei für die Maji-Medizin. Die Botschaft muss sich in der Region rasant verbreitet haben: Denn Maji sollte nicht nur unverwundbar machen im Kampf gegen die Deutschen. Mehr noch: Auch die Ernten sollten gut und wilde Tiere zahm werden. Manche tranken das Maji, andere schütteten es sich über den Kopf. Es wurde zu einer Art Allheilmittel für tausende von Menschen.

O-Ton Becker 3
Kinjikitile ist eine sehr interessante Figur. Und es ist klar, dass seine Leistung genau die war, Ideen, die schon lang bestanden, neu zu kombinieren und in eine Form zu bringen, in der sie brauchbar waren als Reaktion auf eine noch nie dagewesene Situation.

Sprecher
Denn nie zuvor waren die Menschen in der Region so bedroht, wie durch die deutsche Kolonialherrschaft. Kinjikitile empfing immer häufiger Vertreter der unterschiedlichsten Volksgruppen und überreicht ihnen in ausgedehnten Zeremonien das Maji.

Sprecherin
Das Besondere: Kinjikitile organisierte dabei auch regelrechte militärische Trainingseinheiten - eine gezielte Vorbereitung auf den Kampf. Völker, die bisher nichts miteinander zu tun hatten oder sogar verfeindet waren, verbündeten sich: Eine bis dahin ungeahnte Entwicklung.

MUSIK

Sprecher
Die Botschaft vom beginnenden Aufstand mobilisiert die Massen. Mit dem Schlachtruf “Maji!” stürzen sich die Krieger in den Kampf gegen die Deutschen. So bekommt der Konflikt auch seinen Namen – „Maji-Maji-Krieg“. Hunderte Kämpfer überrennen und plündern die Küstenstadt Sangawa. In Liwale erobern die Krieger auch die erste Festung der Deutschen. Mit Brandpfeilen attackieren die Kämpfer die Gebäude. Ein deutscher Offizier, Siedler und afrikanische Hilfssoldaten werden getötet. Diese raschen Erfolge Mitte 1905 und der Glaube an das Maji beflügeln die afrikanischen Kämpfer regelrecht.

Sprecherin
Die Deutschen Kolonialisten dagegen sind geschockt. Für sie kommt die Erhebung zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt. Die Kolonialverwaltung steht bereits unter enormem Druck. Denn seit längerem wächst die Kritik im Deutschen Reich am teuren Kolonial-Abenteuer. Der Grund: Die versprochenen Gewinne bleiben aus, stattdessen sind die Kolonien ein enormes Zuschussgeschäft.

O-Ton Becker 4
Es gab in Deutschland und auch sonst in Europa eine sehr naive Annahme, dass es ganz einfach sei, tropische Kolonien profitabel zu machen. Da ist es so schön warm, da wächst doch alles. Die Leute liegen sowieso auf der faulen Haut. Man muss sie nur endlich zum Arbeiten bringen. Und das war natürlich eine totale Fehlkalkulation. Tatsächlich ist es so, dass tropische Landwirtschaft vielen, vielen Herausforderungen gegenübersteht und gerade Arbeitskräftemangel ein ständiges Problem ist. Das Land war ja wahnsinnig gering bevölkert. Und nachdem sich dann verschiedene Versuche, durch die Einführung neuer landwirtschaftlicher Produkte in dem Land Gewinne zu machen, als Holzweg herausstellten, verfiel man eben auf Zwangsarbeit in Baumwollfeldern.

ATMO Grillenzirpen

Sprecher
Mit aller Macht versuchten die Deutschen, möglichst viel Profit aus der Kolonie herauszupressen - ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Prügelstrafen und überlange Arbeitstage waren an der Tagesordnung. Mit dem Amtsantritt des neuen Gouverneurs der Kolonie, Gustav Adolf Graf von Götzen, verschärfte sich die Lage nochmals. Anfang des Jahres 1905 verfügte er eine drastische Steuererhöhung und außerdem wurde immer mehr Land enteignet.
Es wurde für die immer größeren Plantagen gebraucht. Unter den Einheimischen staute sich die Wut an. Dieses Gefühl griff Kinjikitile auf und versprach eine Lösung. Sein Maji sollte der Ausbeutung ein Ende bereiten!

Sprecherin
Allerdings gelingt es den Deutschen, ihn als Hauptverantwortlichen hinter dem Aufstand auszumachen. Kinjikitile wird mit anderen festgenommen und wenige Wochen nach dem Beginn des Maji-Maji-Krieges hingerichtet - bis zum Schluss soll er überzeugt gewesen sein von seiner Vision. So hält es Gouverneur von Götzen in seinen Erinnerungen fest.

Zitator
Der Ältere der Verurteilten, der Oberzauberer, sollte nun kurz vor seiner Exekution geäußert haben, er fürchte sich nicht vor dem Tode. Seine Hinrichtung werde auch nichts mehr nützen, denn seine Medizin habe schon bis nach Kilossa und Mahenge hin ihre Wirkung getan. Trotz der bekannten Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod und ihrer Neigung zum Renommieren, durfte diese fast triumphierende Warnung nicht leichtgenommen werden. Angesichts der Gesamtlage war Vorsicht geboten.

Sprecherin
Die Ahnung soll sich bestätigen. Im August 1905 folgt beinahe täglich eine größere Attacke auf Stationen und Siedlungen der deutschen Kolonialherren. 10.000 Kämpfer greifen die größte Militärstation der Gegend in Mahenge an. An diesen Angriff erinnert sich der deutsche Feldarzt Wilhelm Arning später so:

Zitator
Sie sind mit einer Einigkeit und Entschlossenheit in den Aufstand von 1905 eingetreten, die erstaunlich ist und fast Bewunderung erwecken könnte. Zu vielen Tausenden fanden sie sich aus der Ebene und von den Bergen zusammen, um die verhasste Station niederzuwerfen. Sie gaben ein für die deutsch-ostafrikanische Kriegsgeschichte unerhörtes, kaum für möglich gehaltenes Beispiel, indem sie einen großen, gut gebauten und stark besetzten festen Platz mit stürmischer Hand zu nehmen versuchten.

Sprecherin
Der Angriff kann von den Deutschen schließlich gerade noch abgewehrt werden. Dabei wird eines immer deutlicher: Das zentrale Versprechen des Maji wirkt nicht - nämlich, dass es unverwundbar macht. Unzählige afrikanische Angreifer sterben im Kugelhagel der deutschen Truppen. Ein deutscher Kommandant beschreibt in seinem Tagebuch “Berge von toten Afrikanern”.

Sprecher
Aber der Glaube an das Maji lebt trotzdem noch weiter. Denn, damit das Maji wirkt, mussten bestimmte Vorgaben eingehalten werden - sexuelle Enthaltsamkeit zum Beispiel. Aber auch manche Speisen waren Tabu, wie Historikerin Felicitas Becker erklärt:

O-Ton Becker 5
Und wenn dann welche erschossen wurden, dann war es für die Boten des Maji, bekannt unter dem Namen Hongo, relativ einfach zu sagen - naja die haben irgendwas falsch gemacht. Und als sich dann schnell herausstellte, dass das Maji nicht wirksam war, kam es auch dazu, dass dann neue Runden Maji gekocht oder geschickt wurden und dann wurde, das ist jetzt besser. Oder es wurden neue Tabus hinzugefügt und auf diese Weise konnte die Glaubwürdigkeit des Maji mehrmals erneuert werden.

Sprecher
So breiten sich die Kämpfe immer weiter aus. Bereits zwei Monate nach dem Beginn des Maji-Maji-Kriegs, hat dieser seine größte Ausdehnung erreicht: Die komplette Südhälfte der Kolonie Deutsch-Ostafrika ist betroffen, ein Gebiet etwa so groß wie die Bundesrepublik Deutschland.

Sprecherin
Der deutschen Kolonialverwaltung fehlt es schlicht an Personal, um sich den Kämpfern wirkungsvoll entgegenzustellen und nicht nur Verwaltungsstationen zu verteidigen. Bei Gouverneur von Götzen macht sich Verzweiflung breit.

Zitator
Es wurde bereits angedeutet, daß der Sparsamkeitsdrang des Mutterlandes den Gouverneur von Deutsch-Ostafrika vor eine in gewissen Fällen unlösbare Aufgabe stellt. Diese Aufgabe bestand im Jahre 1905 in kurzen Worten darin, eine Million Quadratkilometer Landes mit beträchtlichen darin investierten europäischen Werten zu sichern.

Sprecherin
Die koloniale Armee der Deutschen ist zahlenmäßig völlig unterlegen. Die sogenannte “Schutztruppe” umfasst nicht mal 4500 Mann. Dabei sind nur die Offiziere Deutsche. Die meisten Soldaten sind Afrikaner, die sogenannten Askaris. Söldner, die vor allem im Sudan angeworben worden waren. Verzweifelt bittet Gouverneur von Götzen die Führung des Deutschen Reichs um Unterstützung.

Sprecher
Allerdings gilt deren Aufmerksamkeit gerade eher Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Dort haben sich die Herero und die Nama erhoben. Hier ist das Deutsche Reich bereits in einen langwierigen Kampf verwickelt. Dennoch: Schließlich wird Verstärkung bewilligt. Aber die Verlegung deutscher Marinesoldaten braucht Zeit, ebenso die Anwerbung neuer Askari. Erst im Oktober 1905 trifft die Verstärkung ein.

Sprecherin
Nun gehen die deutschen Truppen in die Offensive. In sogenannten “Straf-Expeditionen” folgen sie den Maji-Maji-Kämpfern. Es kommt nicht selten zu regelrechten Massakern. Weit weg von der Kolonialverwaltung in Daressalam fühlen sich die Offiziere ohne Kontrolle. Ihre Brutalität kennt daher oft kaum Grenzen. Besonders verheerend ist dabei eine Waffe: Das Maschinengewehr, die sogenannte „Gatling gun“.

O-Ton Becker 6
Da gibt es wieder einen schönen englischen Reim:
“Whatever happens, we have got
the Gatling gun and they have not.”

Sprecherin
Egal was passiert – wir haben das Gatling-Maschinengewehr, sie haben es nicht.

Sprecher
Die afrikanischen Krieger sind mit ihren Pfeilen, Speeren und anderen veralteten Wurfgeschossen ohne jede Chance - auch wenn sie zu tausenden angreifen. In Schlachten auf offenem Feld werden sie regelrecht niedergemäht. Spätestens jetzt verlieren die meisten den Glauben an die übernatürlichen Kräfte des Maji. Dennoch setzen Maji-Maji-Kämpfer den Krieg fort, meiden allerdings jetzt größere Feldschlachten.

Sprecherin
Der Maji-Maji-Krieg tritt in eine neue Phase ein. Die afrikanischen Kämpfer setzen stattdessen setzen sie auf Guerilla-Taktiken. Sie kennen sich im Gelände besser aus und versuchen den Truppen der Deutschen aufzulauern und sie in Hinterhalte zu locken. Zwar können sie den Feind immer wieder überraschen. Aber nachhaltig stoppen können sie die Kolonialtruppen nicht. Auch nicht, indem sie immer wieder Telegraphenleitungen zerstören, die die Deutschen zur Kommunikation dringend brauchen.

Sprecher
Dazu kommt - da so viele unterschiedliche Völker beteiligt sind, gibt es keine einheitliche Strategie unter den Maji-Maji-Kämpfern, keine Absprachen, kein gemeinsames Vorgehen.

O-Ton Becker 7
Es gab die, die dann einfach mit dem Mut der Verzweiflung weitergekämpft haben. Das war zum Beispiel der Fall bei den Ngoni. Obwohl auch die ziemlich am Anfang ihrer Kampagne sozusagen eine Attacke durch deutsche Maschinengewehre katastrophal verloren und dadurch wurde ihre strategische Einheit zerstört und sie kämpften dann eben in kleinen Gruppen weiter. Es gab auch die, die ziemlich schnell aufgaben. Aber das Problem ist, die Deutschen erkannten ihrerseits unter den Aufständischen überhaupt keine legitimen Herrschaftsstrukturen mehr an.

Sprecher
Der Maji-Maji-Krieg wird gegen Ende des Jahres 1905 unübersichtlich. In dem oft gebirgigen Gelände entwickelt sich immer häufiger ein Kleinkrieg. Wirkliche Gebietsgewinne gibt es bei vielen Angriffen nicht. Auch die Deutschen wechseln deshalb ihre Taktik und hinterlassen, wo sie können, “verbrannte Erde”. Gouverneur Gustav Adolf von Götzen rechtfertigt das Tun der Schutztruppe später.

Zitator
Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften, sei es nun in Marokko oder in Java oder im tropischen Afrika, war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut unerläßlich.
Die Vernichtung von wirtschaftlichen Werten, wie das Abbrennen von Ortschaften und Lebensmittel-Beständen, erscheint wohl dem Fernstehenden barbarisch. Vergegenwärtigt man sich aber einerseits, in wie kurzer Zeit afrikanische Hütten wieder entstehen und wie rasch die Üppigkeit der tropischen Natur neue Feldfrüchte hervorbringt, andererseits, daß in den meisten Fällen, wie auch dieser Aufstand bewiesen hat, ein solches Vorgehen einzig und allein den Gegner zur Unterwerfung zu zwingen vermag, dann wird man zu einer milderen Auffassung gelangen.

Sprecherin
Was Gouverneur von Götzen hier zu verharmlosen versucht und als alternativlos beschreibt, wird später dramatische Folgen für die Bevölkerung haben. Überall im Aufstandsgebiet werden nun Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, Vorratskammern zerstört und Brunnen vergiftet. Diese Drecksarbeit überlassen deutsche Offiziere afrikanischen Hilfstruppen, den sogenannten Rugaruga.

Sprecher
Zwar haben sich immer mehr kämpfende Volksgruppen ergeben, aber auch zu diesem Zeitpunkt gibt es noch Widerstand. Das Elend wird immer größer und die Deutschen wissen, dass sie jetzt eigentlich nur noch abwarten müssen, wie Gouverneur von Götzen einmal in seinem Tagebuch notiert.

Zitator
Major Johannes ist heute aus den Matumbi-Bergen zurückgekehrt. Er hat die Auffassung mitgebracht, dass die Unterwerfung der Aufständischen dort noch lange Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Da die Kulturen überall vernichtet sind, kann aber die Truppe darauf rechnen, dass der Hunger das Seine zur Beschleunigung tun wird. Eine unvermeidliche und traurige Aussicht, wenn man bedenkt, dass diese Wunden nicht Feindesland, sondern der eigenen, vielen schon zur Heimat gewordenen Erde geschlagen werden!

Sprecher
Die Deutschen machen keinen Unterschied zwischen Aufständischen und Zivilisten, erklärt Historikerin Felicitas Becker.

O-Ton Becker 8
Männer, Frauen, Kinder, Alte. Alle galten dann als legitimes Ziel. Und das zog sich hin über viele Monate. Sodass, obwohl die größten Kampfhandlungen des Krieges Mitte 1906 dann vorbei waren, die größte Hungersnot, die der Krieg auslöste, erst Ende 1907 stattfand. Der größte Anteil der Menschen, die durch Maji-Maji gestorben sind, starb an Hunger.

Sprecherin
Missionare berichten von einer gespenstischen Stimmung in den menschenleeren Gegenden, von Verwesungsgestank und Seuchen, die sich ausbreiten. “Es ist kein frohes Leben mehr zu beobachten. Nicht einmal mehr unter der sonst so lustigen Jugend”, heißt es in einem Bericht.

Sprecher
Erst Mitte 1908 ergeben sich dann die letzten Maji-Kämpfer. Drei Jahre nach dem Ausbruch des Krieges. Die Einheimischen müssen sich der deutschen Übermacht ergeben.

O-Ton Becker 9
Einer der bekanntesten Historiker der Gegend weist auch darauf hin, dass die Menschen im Aufstandsgebiet auch eine Schlacht gegen die Natur verloren hätten. Darüber gibt es viele Berichte. Nach dem Ende von Maji-Maji wurden Elefanten gesehen in Gegenden, wo sie schon verdrängt gewesen waren. Und es gibt auch Berichte darüber, dass die Löwen zum Teil dann in die erbärmlich gebauten Hütten der Überlebenden eindrangen und die Menschen in den Häusern verschlangen, weil die so geschwächt waren, dass sie Abwehr der Löwen nicht mehr organisieren konnten.

Sprecher
Über die Gesamtzahl der Opfer im Aufstandsgebiet gibt es sehr unterschiedliche Schätzungen.

O-Ton Becker 10
Wie viele genau, das ist schwer zu sagen, weil man so wenig drüber weiß, wie viele Menschen vorher da waren. Aber 200.000 ist so `ne Zahl, die oft genannt wird.

MUSIK

Sprecher
Wie ungleich der Krieg war, wird klar, wenn man diese Zahl mit den Opferzahlen auf der Seite der deutschen Kolonisatoren vergleicht - zwar sollen mehr als 1000 der afrikanischen Hilfssoldaten der deutschen Kolonialtruppen gestorben sein - aber gerade mal 15 Europäer starben durch die Kämpfe.

Sprecherin
Nachdem der Krieg beendet ist, beginnt in den Aufstandsgebieten ein langwieriger Wiederaufbau. Erst nach Jahren ist die Landwirtschaft wiederhergestellt und die Menschen kehren mehr und mehr zurück in den Süden der Kolonie.

Sprecher
In den folgenden Jahrzehnten verschwindet der Maji-Maji-Krieg aus den öffentlichen Debatten. Die verheerende Not, die Massaker durch die Deutschen - daran möchte niemand erinnert werden. Ähnliche Widerstandsbewegungen gibt es in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr. Weder gegen die deutschen noch - nach dem Ersten Weltkrieg - gegen die britischen Kolonialisten.

Sprecherin
Erst in den 1950er-Jahren ändert sich das schlagartig. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region werden lauter. Dabei erinnern sich viele wieder an den Maji-Maji-Krieg. Der völkerübergreifende Charakter des Widerstands wird immer wieder betont. Darin habe sich bereits ein gewisses Nationalgefühl angedeutet, erklärt zum Beispiel Julius Nyerere, einer der führenden Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung. Er wird später auch der erste Staatspräsident Tansanias. Nicht mehr Not und Elend sollten bei der Erinnerung an den Maji-Maji-Krieg im Mittelpunkt stehen, sondern Stolz auf den Widerstandsgeist und die Hoffnung auf Selbstbestimmung.

Sprecher
Gleichzeitig stößt die Unabhängigkeitsbewegung, die sich in der Tradition der Maji-Bewegung sieht, im ehemaligen Aufstandsgebiet auf große Skepsis. Vor allem ältere Menschen, die den Krieg noch erlebt haben, befürchten, dass es wieder zu einem Blutvergießen kommen könnte. Die Sorgen sind unbegründet: 1961 wurde Tansania unabhängig - völlig friedlich.

Sprecherin
Und im heutigen Tansania? Da ist die Erinnerung an den Maji-Maji-Krieg nicht unbedingt gerne gesehen.

O-Ton Becker 11
Es ist ja so, dass derzeit das politischen Klima in Tansania eigentlich auch eher repressiver wird und die Vorstellung von spontanem Protest ist auch den postkolonialen tansanischen Politikern nicht unbedingt willkommen. Man will spontane anführerlose, soziale Proteste als solche eigentlich nicht feiern.

Sprecher
Dahinter steht die Sorge, dass sich eine Widerstandsbewegung jetzt nicht mehr gegen Kolonialherren richtet, sondern gegen die Regierung. Obwohl der Maji-Maji-Krieg einer der großen antikolonialen Befreiungskämpfe in Afrika war, droht er so weiter in Vergessenheit zu geraten.

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